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Die Briefsammlung | Die
Edition der Briefsammlung Trew | Ausgaben
Briefsammlung Trew
Die Briefsammlung des Nürnberger Arztes und Naturforschers Christoph Jakob
Trew (1695-1769) ist die größte bekannte Briefsammlung mit medizinischem und
naturwissenschaftlichem Schwerpunkt – und eine der größten Sammlungen in
Deutschland überhaupt.
Sie enthält mehr als 19.000 Briefe und Entwürfe von 700 Autoren des 16. bis
18. Jahrhunderts, darunter viele noch heute bekannte Geistesgrößen. Unter ihnen
sind universalgelehrte Pioniere der Medizin und angrenzender
Naturwissenschaften wie Ulisse Aldrovandi, Carolus Clusius, Johannes Crato oder
Conrad Gesner, aber auch der Theologe Johannes Calvin und der Dichter und Natur
forscher Albrecht von Haller.
Die Vielfalt der Adressaten und Absender der Sammlung erlaubt
wissenschaftshistorische Einblicke in die Welt der frühen Neuzeit aus den
unterschiedlichsten Perspektiven. Die zeitgenössischen Ideen- welten der
Chirurgie und Anatomie, der Zoologie und Botanik werden ebenso plastisch wie
der kon- krete Alltag medizinischer Praxis und naturkundlicher Forschung.
»Diese Briefsammlung wird jeder, der sich mit der Geschichte der Medizin und
Naturwissenschaft dieses Zeitraums befaßt, zu Rate ziehen müssen«, urteilte im
Katalog aus dem Jahr 1940 der Direktor der Universitätsbibliothek Erlangen. Sie
verwahrt den umfangreichen Nachlaß Trews, zu dem mit 34.000 Büchern auch eine
der größten naturkundlichen Bibliotheken des 18. Jahrhunderts gehört.
Ein wohlhabender Arzt mit
Forschermission
In Altdorf bei Nürnberg hatte der im Nachbarort Lauf als Sohn des
Stadtapothekers geborene Christoph Jakob Trew sein Medizinstudium absolviert.
Nach einer hervorragenden Promotion bei Lorenz Heister, einem der bedeutendsten
Mediziner seiner Zeit, reiste der junge Arzt von 1717 bis 1720 quer durch
Europa, lernte so dessen führende Gelehrte kennen und widmete sich in
Bibliotheken und Naturalienkammern seiner naturkundlichen Neugier und seinem
bibliophilen Sammelinteresse.
Die Aussicht auf die Nachfolge Lorenz Heisters an der Unversität Altdorf
führte Trew 1720 zurück ins Fränkische. Zwar wurde seine Hoffnung auf eine
akademische Laufbahn enttäuscht, doch erwarb er sich als niedergelassener Arzt
in Nürnberg rasch großes Ansehen. Er wurde ins Nürnberger »Collegium
medicinale« aufgenommen und 1736 zum markgräflichen Leibarzt am Ansbacher Hof
befördert. In Nürnberg betreute er neben seiner Praxis den städtischen
Heilpflanzengarten und das Anatomische Theater.
Als einer der ersten Anatomen überhaupt hielt Trew Anschauungsunterricht anhand
menschlicher Leichen und betrieb neue Grundlagenforschung über den Körperbau.
Europaweites Netz der
Wissenschaftler
Trews eigentliches Interessensfeld war die Forschung. Ihr wandte er sich neben
seiner Arztpraxis immer stärker zu. Seine europaweiten Kontakte und den
Überblick über Entdeckungen und Diskurse der Zeit pflegte er, indem er 1731 das
Wochenblatt »Commercium litterarium ad rei medicinae et scientiae naturalis«
gründete. Darin redigierte und publizierte der akademische »Netzwerker« avant
la lettre 15 Jahre lang die Ideen und Mitteilungen eines großen Kreises von
Fachkorrespondenten. Trew war in seinen Fächern kein paradigmatischer
Vordenker, sondern ein verifizierender und klassifi- zierender Sammler
konkreten Wissens, das er solide weitervermitteln wollte. Auch die
Mitgliedschaft in vielen internationalen Fachakademien half ihm zeit seines
Lebens, den Kontakt zur gelehrten Welt außerhalb Nürnbergs zu halten.
Der umfangreiche Briefverkehr, der mit Trews Herausgeber- und Akademieposten
einherging, trug in doppelter Hinsicht zur Bereicherung seiner Briefsammlung
bei. Zum einen bewahrte Trew die an ihn gerichteten Schreiben und seine eigenen
Briefentwürfe auf. Seine europaweite Vernetzung nutzte er aber auch, um über
Mittelsleute Material aus dritter Hand sichten zu lassen und zu erwerben –
nach- gelassene Einzelstücke ebenso wie ganze Sammlungen.
Die Briefsammlung: Ein »Who is
who« von der Frühneuzeit bis zur Aufklärung
Die frühesten Briefe der Trewschen Kollektion wurden 170 Jahre vor der Geburt
des Sammlers verfaßt. Der älteste Brief stammt vom 9. Oktober 1524; der
Reformator Huldrych Zwingli schrieb ihn an einen
Geistlichen. Ihm wie den übrigen 700 Autoren bescheinigt Trew selbst, daß
»deren eigene Handschriften an sich selbst schon einen großen Wert haben, noch
mehr aber der Inhalt der Briefe zu erkennen giebt.«
Seine »beträchtliche Sammlung von eigenhändig im XVI., XVII. und XVIII. Seculo
von Italiänern, Engelländern, Holländern, Dänen, Petersburgern, Preußen und
Deutschen geschriebenen Briefen, welche zusammen über 15.000 betragen«, wuchs
bis zuletzt auf über 19.000 an, ein »Who is who« der Universalgelehrten von der
Frühneuzeit bis zur Aufklärung.
Aus der Feder des damaligen Starmediziners Johannes Crato von Crafftheim
(1519-1585), der drei habsburgischen Kaisern als Leibarzt diente und als
Protokollant der Tischreden Luthers in Erinnerung geblieben ist, hat Trew 1271
Briefe versammelt. Ein Kollege Cratos am Wiener Hof war Carolus Clusius
(1526-1609). Der französische Arzt, als »kaiserlicher Hofbotaniker« ein Pionier
in der Erkundung der alpinen und ungarischen Flora, ist mit rund 200 Schreiben
vertreten.
Vom »Italiäner« Ulisse Aldrovandi (1522-1605) und dem Schweizer Conrad Gesner
(1516-1565) schließlich, denen der Aufbau der botanischen Gärten in Bologna
bzw. Zürich zu verdanken ist, und die mit ihren zoologischen Lehrwerken
»Historia animalium« Maßstäbe setzten, liegen 27 bzw. 11 Briefe vor.
Die gut 4800 an Trew selbst gerichteten Briefe stammen zu etwa einem Drittel
aus Laienhand und zu zwei Dritteln von Medizinern: von Apothekern (3 Prozent),
Chirurgen (4 Prozent), Medizinprofessoren (14 Prozent) und ausgebildeten Ärzten
(47 Prozent). Unter ihnen findet sich auch Trews Lehrer Lorenz Heister
(1683-1758), der Begründer der wissenschaftlichen Chirurgie in Deutschland, mit
168 von ihm verfaßten und einem Vielfachen an empfangenen Briefen.
Trew selbst erwog die Publikation einer Auswahl aus seiner Briefsammlung. Gern
wolle er mehrere tausend Schreiben prominenter Ärzte und Botaniker »ohne allen
Entgeldt dem publico mittheilen«, schrieb er 1752 an Albrecht von Haller
(1708-1777), der über tausend Briefe seiner eigenen Sammlung ediert hatte. Das
Vorhaben zerschlug sich zwar, belegt aber den hohen Erkenntniswert, den Trew
seinem gelehrten Briefwechsel zusprach.
Die Edition der Briefsammlung
Trew
Trew selbst hätte sich bei der Edition von Teilen seiner Briefsammlung
wahrscheinlich auf das aus seiner Sicht und zu seiner Zeit wissenschaftlich
relevante Material konzentriert. Demgegenüber enthält die jetzt vorliegende
Edition die komplette Briefsammlung, wie sie bis heute erhalten ist, und die
weit mehr als fachhistorische Aussagekraft besitzt. Freundschaftsbekundungen,
Kollegenschelten und Anfragen von ratsuchenden Kranken, Schreiben des Verlegers
etc. gewähren neben vielen weiteren Schriftstücken aus unterschiedlichsten
Zusammenhängen Einblick in Trews Alltag.
Sie ergänzen den wissenschaftlichen Teil der Briefsammlung und sind wertvolle
Quellen für die Personengeschichte und die individuellen Lebens- und
Arbeitsbedingungen in der frühaufklärerischen »Gelehrtenrepublik« Europas.
Ausgaben
Mikrofiche Edition:
Briefsammlung Trew
3204 Mikrofiches
ISBN 3-89131-477-9, 2006
Digitale Edition:
Informationen über Preise und verfügbare
Varianten der digitalen Edition sind beim Verlag erhältlich.
Die Briefsammlung Trew ist bis auf weiteres kostenlos zugänglich.
Mit einer gültigen Benutzerkennung können Sie zeitlich unbegrenzt in der Datenbank recherchieren.
Der Download von Briefen (PDF-Format) ist kostenpflichtig.